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Interview-Reihe: GEGENrechts

  • 28.03.2022
  • NEWS SER
Dieses Mal haben wir die 26-jährige Semiha Topal aus Melle-Westerhausen interviewt. 

Semiha engagiert sich beim Kreissportbund Osnabrück-Land als Koordinatorin im Bereich Integration und Inklusion.

Hallo Semiha, wie geht es Dir?

Danke der Nachfrage! Soweit so gut, Hauptsache man ist gesund! Auf der Arbeit ist immer relativ viel los am Jahresanfang.

Stell´ Dich doch bitte einmal kurz vor und sag´ uns, wo Deine Wurzeln sind.

Ich bin auf dem Land aufgewachsen und liebe die Natur mit all ihren Facetten und Lebewesen. Wie man ahnen kann, bin ich ein totaler Sommermensch und das passt auch zu meinen Wurzeln in der Türkei in der Großstadt Izmir. Ich verbringe sehr gerne mein Urlaub dort, eher ländlich und strandnah. Mein Großeltern sind als Arbeitsmigrant:innen von der Türkei mit einigen Umwegen und Stopps nach Deutschland gekommen und , da ich in Melle geboren bin, liegen seither auch natürlich hier meine Wurzeln. Meine Mutter wiederum ist in Frankreich aufgewachsen und ich versuche meine Familie dort so häufig wie möglich zu besuchen.

Was machst Du zurzeit?

Ich arbeite beim Kreissportbund Osnabrück-Land als Leitung der Koordinierungsstelle Integration im und durch Sport. Das heißt so viel wie: alles was mit Integration zu tun hat, im Bereich Sport, ist mein Aufgabengebiet. Dabei bin ich die Ansprechpartnerin für die Sportvereine im Landkreis Osnabrück und die Akteure rund um das Thema Integration. Von Förderanträgen, Finanzierungen bis hin zu Sportprojekten und Veranstaltungen.

Wie bist Du zu dieser Aufgabe gekommen?

Ich habe in meinem Soziologie Studium an der Universität Osnabrück ein Praktikum beim Landkreis Osnabrück abgeleistet. Dort habe ich ein Semester lang den Integrationsbeauftragten in einer Arbeit begleitet und konnte mich damit in dem Themengebiet beweisen. Dann wiederum wurde ich für diese Stelle beim KSB empfohlen. Ich habe großes Glück, dass Ehrenamt und sowohl Integration und Inklusion in meiner Familie immer ein Thema war und ich von klein auf damit konfrontiert worden bin. Meine Eltern und Geschwister sind ehrenamtlich aktiv, sei es auf der politischen oder integrativen Ebene, daher habe ich relativ früh mit dem Networking angefangen. Und wie ich das Ganze mit dem Sport verknüpft habe? Dazu komme ich gleich noch.

Treibst Du aktiv Sport?

Jaein würde ich jetzt mal sagen. Ich bin momentan eher eine Gelegenheitssportlerin, also je nach Lust und Laune treibe ich In- und Outdoorfitness bei mir in der Gegend. Ich war noch nie der Typ Mensch, der in ein Fitnessstudio gegangen ist, sondern eher der Typ „Fitnessstudio im Haus“. Somit bin ich relativ flexibel und bleibe intuitiv fit!

Wenn ja, welche Sportarten sind dabei?

Aber ja, ich komme aus dem Volleyball. Ich habe als Kind im Heimatverein mit dem Sport angefangen und habe es bis zu meinem Studium auch durchgezogen. Getanzt habe ich tatsächlich auch eine Zeit lang. In meinem Studium habe ich mich dann eher der Sporttheorie gewidmet, in dem ich meinen Schwerpunkt auf Sportpolitik und Sportsoziologie gelegt habe. In meiner Freizeit spiele ich immer noch Volleyball und gehe im Sommer gerne auf das Beachvolleyballfeld.

Fühlst Du Dich integriert in Melle / Osnabrück bzw. generell in Deutschland?

Ja, ich fühle mich definitiv integriert bzw. ich und meine Familie haben auch einiges dafür getan und auch früh damit begonnen. Durch die ganze Ehrenamtsarbeit im Ort, sei es bei der Stadt oder im Ortsrat, kann man sich schon sehr gut auf viele neue Schritte im Leben vorbereiten und somit Kontakte aufbauen. Soziales Engagement hat mich immer vorangebracht und ich bereue keine Minute, die ich da rein investiert habe.

Bist Du schon einmal mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert worden?

Leider Ja.. Vor allem in meiner Schulzeit habe ich leider einiges mitmachen müssen. Es ist nicht ganz einfach sich durchzusetzen, wenn man von eigentlichen Vorbildern nicht als gleichwertiges Individuum wahrgenommen und mit Vorurteilen konfrontiert wird.

Auch im Alltag kommen hin und wieder Situationen vor, wo man das Gefühl bekommt, hier nicht willkommen zu sein.. obwohl es die eigene Heimat ist.

Wenn ja, magst Du ein wenig davon erzählen und wie Du ggf. darauf reagiert hast?

Ja, ich habe eine Situation, die ich nicht so leicht vergessen kann. Es hat mich damals sehr beschäftigt und beschäftigt mich immer noch, da ich weiß, dass es kein Einzelfall ist und viele Schüler:innen bis heute noch damit konfrontiert werden.

Zu der „Geschichte“: Ich stehe mit meinen Mitschüler:innen in der Reihe und warte darauf, aufgerufen zu werden um mein Realschulabschluss nach der 10. Klasse entgegenzunehmen. Als einige bereits ihr Zeugnis erhalten haben, war ich nun an der Reihe. Ich werde aufgerufen mit: „Semiha.. äähh.. BossTaaan (mein Geburtsname: Bostan) oder so. Du kannst dein Zeugnis abholen. Ist ja nicht immer ganz so einfach mit SOLCHEN Namen klarzukommen.“

Ich glaube, dass viele, die das jetzt lesen, sich nicht damit identifizieren können oder da kein großes Problem drin sehen. Mein Problem ist es jedoch, dass sogar nach 5 Jahren an dieser Schule mein Name nicht richtig ausgesprochen wird, geschweige denn sich die Mühe gegeben wird es richtig auszusprechen.

Trage ich auch etwas dazu bei? Definitiv. Ich habe damals leider nur mit einem „Danke“ geantwortet, in Stille mein Zeugnis in die Hand genommen und mich wieder auf meinen Platz gestellt.

Natürlich war es nicht nur der Nachname, auch der Vorname wurde und wird immer noch falsch ausgesprochen. In der Schule wurden mir sogar andere Namen und Kürzel gegeben, die nicht mal annähernd wie mein Name klangen. Mein Name wurde mir also aberkannt und Ja, auch somit ein Teil meiner Identität. Mein Name wurde entwurzelt, so dass keine Verbindung mehr zu meiner Herkunft herzustellen war und meine Individualität hier nicht mehr eine Rolle spielte. Ich wurde also zwangsassimiliert und in manchen Situationen öffentlich und bewusst bloßgestellt.

Jetzt traue ich mich, bei jeder Vorstellung meiner Person, auf mein Recht auf Individualität zu bestehen und meinen Namen richtig auszusprechen. Dabei unterstütze ich ganz einfach mit Beispielen, wie: das S bei Semiha wird „scharf“ ausgesprochen, kein zzz.. und das H bitte nicht „schlucken“ sondern aussprechen. Eigentlich ganz einfach.

Es ist für die Person gegenüber vielleicht in dem Moment etwas merkwürdig, aber ich fühle mich bei jeder richtigen Aussprache einfach immer mehr angekommen und einfach glücklich.

Vielen, lieben Dank Semiha, dass Du Dir die Zeit für uns genommen hast und diese Einblicke gibst. Die Gesellschaft ist ein großes Bild aus vielen kleinen Mosaiksteinen. Du bist ein wertvoller Teil in diesem vielfältigen und abwechslungsreichen Kunstwerk. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.